Die Geschichte von Sonne und Mond

Seit jeher ist die Schlange das Zeichen der Fruchtbarkeit.

Eines Tages gebar sie die Sonne und die Herzen wurden erwärmt. Weniger als zwei Jahre später gebar sie den Mond und die Gemüter wurden geklärt.

Die Sonne und der Mond stritten viel, aber da sie sich im Grunde liebten, einigten die Geschwister sich darauf, die Zeit in Tag und Nacht zu teilen. So hatte jeder eine Zeit, um die Menschen mit ihren Gaben zu beschenken.

An ganz besonderen Tagen, die selten vorkommen, versuchen Sonne und Mond ihren Einklang der Welt zu zeigen. Sie tanzen immerfort mit der Erde im kosmischen Kreis.

Doch an diesen besonderen Tagen stellen sie sich so voreinander, dass der eine den anderen verdeckt. Kaum ein Mensch versteht es, doch dies bedeutet eine Umarmung der mächtigen Geschwister.

Die Einzige, die das seit jeher weiß, ist die Mutter der beiden: Die Schlange. Sie zischelt den Menschen das Geheimnis dieser kosmischen Einigkeit zu. Doch die Menschen halten diese Großartigkeit nicht für möglich, weil sie nicht auf ihre Herzen hören und vertrauen. Daher fürchten sie die Schlange und bezeichnen sie als gefährlich.

Eines Tages jedoch werden die Menschen verstehen. Sie werden keine Angst mehr haben. Und dann werden Sonne und Mond die Zeit für reif halten, gemeinsam um die Erde zu wandeln. Oder sie verabschieden sich, um in anderen Galaxien ihre Gaben zu nutzen, um entfernte Welten zu beschenken.

Doch bis dahin zischelt die Schlange leise weiter. Nur die Mutigen werden ihr zuhören.

Und Sonne und Mond werden sich bis dahin weiter die Zeit teilen.

Tags wärmt die Sonne die Herzen.

Nachts klärt der Mond die Gemüter.

Das rote Pferd – nicht das Blaue

Das Ölgemälde mittleren Formates „Pferd in Landschaft“ von Franz Marc aus dem Jahre 1910 besticht auf den ersten Blick durch seine Farbigkeit. Kaum ein anderer Künstler weiß so großeTeile des Bildes mit einer einzelnen und sehr intensiven Farbe zu füllen, ohne dass es stümperhaft wirkt. Kritiker könnten es kindisch nennen, jedoch wäre dies wiederum eher als Kompliment zu deuten, da Kinder mit einer verblüffenden Treffsicherheit Reales zweidimensional auf Papier bannen können, ohne sich der üblichen, gewohnten, tradierten Mittel zu bedienen (Pferd braun, Gras grün usw.). Continue reading

Huyendo la crítica – Pedros Abenteuer

Das Antiquariat war schon lange nicht mehr besucht worden. Außer Pedro und seinen Freunden kam kaum einer hierher. Deshalb war der Señor Calabaza auch meistens in seinem Haus, das durch eine kleine Hintertür zum Laden für alte Dinge zu erreichen war. Der Spott über seinen Namen (Calabaza = Kürbis, umgspr. Trottel) interessierte den alten Herren schon lange nicht mehr. Doch er wusste es zu schätzen, dass – obwohl sie sonst kleine Lausebengel gewesen waren – die nun bald Jugendlichen immer freundlich zu ihm gewesen waren. Daher ließ er sie auch gerne bei sich im Antiquariat ihren Nachmittag verbringen, wenn es draußen besonders heiß war.

Pedro war heute alleine hergekommen. Seine Mutter hatte genug mit den Kollegen von seinem Vater zu tun, die heute zu ihnen nach Hause eingeladen waren. Auch wenn er sich ungern die Schalen leckeren Essens seiner Mutter entgehen ließ, so konnte er doch getrost auf die dumpfen Sprüche der Männer verzichten, die ihm jedes Mal rieten, er solle sich doch etwas ordentlicher benehmen und zum Marktplatz gehen, um eines der hübsch angezogenen Mädchen zum Tanz aufzufordern. Continue reading

Die Verfolgungsjagd

Meine Augen tränen und ich habe heftiges Seitenstechen. So schnell bin ich lange nicht mehr gelaufen. Doch ich renne weiter so schnell mich meine bald tauben Beine tragen. Ich muss ihn unbedingt erwischen! Ich darf ihn nicht aus den Augen verlieren!

Es ist eine unfaire Jagd. Wie soll ich auf Dauer mit einem Moped mithalten?! Ich weiß es nicht, aber ich muss es schaffen! Ich muss meine Kostbarkeit wiederbekommen!

Ich höre meinen keuchenden Atem und den dumpf geschlagenen Rhythmus meiner Füße auf dem sandigen Boden, gemischt mit ein paar anpreisenden Rufen. Der Markt ist meine Hoffnung. Die Straße wird schmaler und immer voller. Continue reading